Hinter
MISTRESS OF THE DEAD verbirgt sich der tschechische Musiker
Vlad Cristea Vales, der alleinig für alle Instrumente,
Sounds, Geräusche und dunkel grollenden Vocals zuständig
ist. Verbergen ist das richtige Stichwort, denn richtig aus
dem Schatten tritt Vales mit seinem Projekt nicht. So gibt es
nur ein karges Presse-Info mit den nötigsten Daten und
dem akzentuierten Verweis, dass MISTRESS OF THE DEAD
keine eigene Homepage besitzen und nicht auf Myspace vertreten
sind. Verwunderlich eigentlich, gibt es doch einen umfangreichen
Backkatalog, der auf stolze elf Demos, zwei Split-Alben, eine
Kompilation und immerhin drei Longplayer vor White Roses,
White Coffin verweisen kann. Doch irgendwie ist es konsequent
im Dunkel zu bleiben, denn mit Licht hat die Musik der MISTRESS
OF THE DEAD wenig am Hut. Vier Stücke in 76 Minuten
brechen über den Hörer herein, oder besser, schleichen
sich ins Bewusstsein, ziehen ihre elegische Bahn, atmosphärisch
dicht und von be(d)rückender Schönheit. Mit Metal
hat das wenig zu tun, es sei denn, man würde einen melodischen
Death- oder Doom-Metal Song nehmen und ihn um ein vierfaches
zu langsam abspielen. Hier hat alles Gewicht, die sägenden
Gitarren, die vereinzelten Trommelschläge, das klare Flirren
der Beckens und auch der „Gesang“, der sich wie
waidwundes Raunen durch die Songs zieht. Worte sind nicht zu
verstehen bei dieser gedehnten Variante des Growls. Doch dank
der abgedruckten Lyrics lässt uns Vales teilhaben an seiner
Gedankenwelt. In der es zwar wie zu erwarten um Vergänglichkeit
und Tod geht, aber auch um die Kraft der Liebe und die Sehnsucht
nach Erlösung.
White Roses, White Coffin erzeugt einen Sog, der
den Hörer entweder gefangen nimmt oder abstößt.
Das ist große, dramatische Musik, die fast gänzlich
ohne pathetische Beiklänge auskommt, hier gibt es kein
Anbiedern an melodische Seligkeiten. MISTRESS OF THE DEAD
sind am ehesten vergleichbar mit einer Band wie Goodspeed You
Black Emperor zu Zeiten der „Lift Your Skinny Fists...“
Phase, allerdings ohne jemals in berstende Soundwälle überzugehen
und zu explodieren. Leichte Abzüge gibt es, weil die Songs
sich etwas zu ähnlich sind in ihrem Aufbau und Verlauf.
Andererseits bewirkt genau dies, jene hypnotische Geschlossenheit
zu erzeugen, die aus White Roses, White Coffin
ein granitenes Monument macht, das von einem zähflüssigen
Lavastrom unterspült wird. Hier herrscht eine alles verzehrende
Langsamkeit, Töne, die scheinbar stehen bleiben und sich
dann doch auflösen in ein düsteres, aber gleichzeitig
ungemein friedliches Universum. Selten war Verzweiflung so herausfordernd
schön.
Zum Ende des Jahres also noch ein innovatives Highlight aus
einer untergründigen Welt. Es tut gut, dass es noch Platten
verschrobener Geister gibt, die sich wenig um Genre, Verkaufszahlen
und zu befriedigende Hörererwartungen kümmern. Stattdessen
Klang und Raum und Zeit. Sehr viel davon.