SONNTAG 
                20.07.2008
              Spiritual 
                Front - Spectra*Paris - Das Ich - L’Âme Immortelle 
                - Suicide Commando - Project Pitchfork - And One
              [Kerstin] 
                Nach einem kleinen Schwätzchen mit Fronter Simone Hellvis 
                Salvatori von :: SPIRITUAL 
                FRONT :: am Samstagabend, wusste ich schon, was 
                mich am heutigen Tage erwartet. Noch ein Grund mehr, früh 
                aufzustehen, um mein Highlight des Festivals zu sehen. Die ursprüngliche 
                Befürchtung von Herrn Salvatori bestätigte sich zum 
                Glück nicht, da das Theater sich sehr schnell mit Leuten 
                füllte, die neugierig auf den Nihilistic Suicide Pop der 
                Italiener waren oder vor den grauenhaften MEDIEAVAL BABES 
                geflüchtet sind. Die anspruchsvolle Musik der Römer 
                lässt sich mit einer sehr eigenwilligen Mischung aus Neofolk 
                und Country beschreiben, verpackt mit bitterbösen Texten, 
                die sich meistens um Religion, Sex und Gesellschaftskritik drehen. 
                Es gab 2 neue Songs namens Darkroom Friendship und Loved 
                Or Defeated von der kommenden EP und dem regulären Album 
                zu hören, die beide für Herbst angekündigt sind 
                und begeistert von den Fans aufgenommen wurden. Leider hatten 
                SPIRITUAL FRONT nur 30 Minuten Spielzeit, die mit Walk 
                The Deadline, Bastard Angel und Slave sehr gut genutzt 
                wurde und zur Freude der Fans von Ordo Rosarius Equilibrio gab 
                es den Song For The Old Man vom Split Album Satyriasis.
                [Daniel] Für mindestens 30 Minuten zur „breakfast 
                time“ kamen die Freunde der etwas abgedrehteren Musik aus 
                ihrer Versenkung und auf ihre Kosten. Mit einem so großen 
                Interesse an der ungewöhnlichsten Band im Lineup habe weder 
                ich noch die mafiös aussehende Truppe gerechnet. Da hatte 
                sich der lange Trip von Italien ja doch gelohnt. Die Stimmung 
                im Theater kam natürlich nicht an ihren viel umjubelten Gig 
                auf dem WGT vor ein paar Jahren ran, aber dennoch waren es äußerst 
                kurzweilige 30 Minuten, an deren Ende der höllische Elvis 
                sich mit seiner Gitarre vom Hocker fallen ließ und die letzten 
                Riffs auf dem Boden liegend in die Saiten seiner Klampfe haute.
                Setlist mit lieben Dank an Giorgio: Walk The Deadline, 
                Bastard Angel, Darkroom Friendship, Jesus Died in Las Vegas, Loved 
                or Defeated, Song For The Old Man, Slave
              
              [Kerstin] 
                Nachdem die CD schon seit Anfang des Jahres auf Heavy Rotation 
                lief, war :: SPECTRA*PARIS 
                ::, das Nebenprojekt der Kirlian-Camera-Frontfrau das 
                2. Highlight des Tages und da Elenas Live-Gesangsqualitäten 
                überragend sind, war die Vorfreude entsprechend groß 
                und ich wurde nicht enttäuscht. Natürlich ließ 
                es sich Angelo Bergamini, seines Zeichens Kopf von Kirlian Camera, 
                auch nicht nehmen, seine Herzdame nach Deutschland zu begleiten 
                und war schon vor dem Spiritual Front Auftritt präsent, was 
                von den im Publikum anwesenden Neofolkern mit einem Schmunzeln 
                zur Kenntnis genommen wurde. Elena legte, umgeben von ihrer All-Girlband, 
                auch direkt mit Spectra Murder Show los und bot einen bunten 
                Querschnitt durch ihr Debüt inklusive des genialen Covers 
                Mad World von Tears For Fears, was mir in dieser Version 
                viel besser als das Original gefällt, und dem einen oder 
                anderen Siderartica-Song - dem Vorgängerprojekt von SPECTRA*PARIS.
                [Daniel] Dieses noch recht junge Nebenprojekt von Kirlian 
                Camera ist Live in Deutschland bis auf das WGT noch nicht sonderlich 
                unterwegs gewesen. Nachdem Onkel Bergamini, stets besorgt um seinen 
                Schützling Elena Fossi, auf der Bühne nach dem rechten 
                gesehen hat, konnte es also losgehen. Elena als Mittelpunkt des 
                Geschehens auf der Bühne bezauberte jeden Einzelnen im Publikum 
                mit ihrer tollen Gesangsleistung. Verstärkung hatte sie allerdings 
                auch in Form von drei weiteren Damen mitgebracht, von denen sich 
                eine um den Backgroundgesang bemühte und eine andere Dame 
                mit absolut originaler 80er-Frisur Gitarre oder Bass bediente. 
                Interessant auch die Videoeinspielungen im Hintergrund: Szenen 
                aus der Welt der Topmodels (nein, nicht Germany’s Next Top 
                Model), gepaart mit Schusswechseln aus bekannten Actionfilmen 
                und etlichen Szenen aus Clockwork Orange. Also eine Augen- wie 
                Ohrenweide, dieser Auftritt.
              [Daniel] 
                :: DAS 
                ICH :: sind immer ein Garant für eine besonders 
                ausdrucksstarke Live-Performance. Im bekannten Bühnenbild 
                mit den zwei krakenartigen metallischen Keyboardarmen und dem 
                zentral angeordneten Mikro-Marterpfahl für den komplett mit 
                roter Farbe angepinselten Sänger Stefan Ackermann konnte 
                auf der Hauptbühne also nichts schief gehen. Der dürre 
                Zwerg entlockte seinem Gesicht die unglaublichsten Ausdrücke 
                und schmiegte sich zum Klassiker Gottes Tod Jesus-gleich 
                an den Pfahl. Bruno Kramm, die andere Hälfte des Urgesteins 
                der Neuen Deutschen Todeskunst, mimte mit seinen zu Hörnern 
                frisierten roten Haaren den etwas ruhigeren Part hinter der Technik. 
                Ganz großes Kino aber altbekannt. Die ein oder andere Neuerung 
                gab es aber dennoch zu vermelden. Live Keyboarder Marty stellte 
                sein neues Bühnenoutfit vor. als wäre er mit seiner 
                blutigen Schlachterschürze gerade von der Arbeit auf die 
                Bühne gekommen. Destillat, der letzte große 
                Hit von DAS ICH, beendete schließlich einen mehr 
                als soliden Gig. Nicht mehr und nicht weniger.
                [Kerstin] DAS ICH sind immer ein Garant für eine herrlich 
                kranke Performance und mit ihrer ausgewogenen Setlist mit alten 
                Klassikern und brandneuen Song konnten sie einfach nichts verkehrt 
                machen. Das sahen die Fans genauso und feierten die drei auf der 
                Bühne entsprechend ab.
              
              [Daniel] 
                Nachdem Thomas Rainer am gestrigen Tage noch mit einem anderen 
                Projekt auf der zweiten Bühne am Start war; ertönte 
                nun gleich mit Bitterkeit der Song von der Bühne, 
                der zum Glück schon seit Jahren von den Playlists der Szene-DJs 
                verschwunden ist und immer noch Nährboden für Antifans 
                der Wiener Electro-Goten um Thomas Rainer und Sonja Kraushofer 
                bildet. Nicht unbedingt der beste Einstieg für :: 
                L’ÂME 
                IMMORTELLE ::, um neue Fans hinzu zu gewinnen. 
                Mit gewohnt theatralischer Bühnenperfomance und Unterstützung 
                durch Gitarren konnten mich L’ÂME IMMORTELLE 
                trotz des jüngeren Wandels zu den elektronischeren Ursprüngen 
                der Formation nicht in ihren Bann ziehen. Live Will Never Be 
                The Same Again machte schließlich den Weg frei für 
                die anschließend aufspielenden Suicide Commando.
                [Kerstin] L’ÂME IMMORTELLE gehen mal so gar 
                nicht mit ihrer Theatralik und da Thomas Rainer mit seinem neuesten 
                Nebenprojekt sehr grenzwertig mit gewisser Symbolik spielt, konnte 
                ich gar nicht genug Distanz zur Bühne bekommen.
              [Daniel] 
                Es ist schon ein paar Jährchen her, als ich das letzte 
                Mal :: SUICIDE 
                COMMANDO :: live erlebt habe. Damals habe ich mir 
                nach zwei lahmen Gigs der EBMler geschworen, erst einmal Pause 
                zu machen. Seitdem hat sich im Hause SUICIDE COMMANDO durchaus 
                etwas getan. Johann van Roy hat nun Verstärkung in Form von 
                Videoeinspielungen im Hintergrund und einem menschlichen Schlagzeuger. 
                Gleichzeitig hat sich die Popularität seit dem Album Mindstrip 
                ungemein gesteigert, während die musikalische Entwicklung 
                allerdings in eine Sachgasse geraten ist. Warten wir also einfach 
                mal ab, was so passiert. Wer auf ältere Songs wie Murder, 
                See You In Hell oder gar Save Me gewartet hatte, wurde 
                bitte enttäuscht. Dafür knallte neueres Material wie 
                Bind, Torture And Kill oder Fuck You Bitch ganz 
                gut. Johan markierte auf der Bühne den aggressiven Frontmann, 
                selbst seine Ansagen wurden durch den Verzerrer gejagt, was sich 
                einer gewissen Komik nicht entbehrte und auch sein Rumschubsen 
                an den Keyboardständern wirkte eher aufgesetzt. Die schon 
                von etlichen Pressevertretern als deplatziert und geschmacklos 
                gescholtene Verwendung von Aufnahmen aus Konzentrationslagern 
                aus der Zeit des Holocaustes als visuelle Untermalung zu One 
                Nation Under God blieben auch in Köln nicht außen 
                vor und hinterließen auch bei mir einen faden Beigeschmack. 
                Dafür war doch eigentlich eine andere, am Vortag spielende 
                Formation zuständig. Nun gut, der Roy machte gut Stimmung 
                und gab der tanzenden Meute zum Abschied natürlich noch den 
                Hellraiser mit auf den Weg.
              
              [Daniel] 
                Auf :: PROJECT 
                PITCHFORK :: hatte ich mich durchaus gefreut. In 
                der letzten Zeit stand die Truppe ja eher weniger im Rampenlicht 
                und auch Liveauftritte waren eher rar gesät. Peter Spilles, 
                Scheubi, Carsten Klatte, Jürgen Jansen und Achim Färber 
                machten es den Fans vor der Hauptbühne aber alles andere 
                als leicht, einen mitreißenden Gig der einst so populären 
                Formation zu erleben. Ich bin sicherlich kein Experte in Sachen 
                PROJECT PITCHFORK, kenne aber durchaus zahlreiche Klassiker 
                der Hamburger Jungs. Die Setlist war aber eher etwas für 
                treue Fans und für einen Festival-Gig nicht glücklich 
                gewählt. So erging es vielen im Publikum und die Stimmung 
                hielt sich nach den energetischen Suicide Commando doch arg in 
                Grenzen. Peter Spilles Gesang kam überraschend aggressiv 
                rüber, was ihm allerdings den Wiedererkennungswert nahm. 
                Dafür kaute er ständig auf irgendwelchen Blutkapseln 
                und spuckte das rote Zeug herum. Klar, fehlten einige bekannte 
                Songs wie Carnival, Timekiller, Requiem oder Existence 
                nicht, aber hinzu kam, dass es teilweise kräftig schauerte, 
                was zusätzlich die Stimmung drückte. Alles in allem 
                ein enttäuschender Gig, an dem auch der Gastauftritt von 
                Sara Noxx nichts retten konnte. Wenigstens lieferte der Sänger 
                mit „die Deutschmaschine lebt“ die perfekte Überleitung 
                zu And One. Es konnte also mit seiner Ankündigung der „Dancing 
                Queen“ also nur besser werden.
                [Kerstin] Leider konnten weder die Setlist noch die Gesangsqualitäten 
                bei mir punkten und mit diesem Gig haben sie mit Sicherheit keine 
                neuen Fans hinzugewonnen. So etwas ist schon sehr ungeschickt, 
                wenn man auf dem absteigenden Ast ist.
              
              [Kerstin] 
                Steve Naghavi polarisiert! Entweder man mag den fiesen Humor 
                des :: AND 
                ONE :: Frontmannes oder man mag ihn nicht. Heute 
                gab es eine Kurzfassung der Bodypop Cover Lover Supershow mit 
                einigen Coverversionen und eigenen Hits. Fulminant ging es los 
                mit The Sun Always Shines On TV inklusive fallendem Vorhang 
                und der gleichen spacigen Bühnenausstattung wie auf der Tour. 
                Mit „Jetzt kommt die regenfreie Version“ wurde Timekiller 
                von Project Pitchfork angekündigt und die Version von AND 
                ONE gefiel mir einfach viel besser. Der plötzlich auf 
                der Bühne auftauchende Pitchies Keyboarder Scheubi wurde 
                liebevoll mit „Ich wusste es, Du Arschloch“ gegrüßt 
                und auch Peter Spilles ließ es sich nicht nehmen, Timekiller 
                im Duett zu Ende zu bringen. Das sind Highlights, die es so nie 
                wieder geben wird, da die Pitchies sich doch eher seltener eine 
                Bühne mit AND ONE teilen. Herr Naghavi stellte irgendwann 
                natürlich wieder die obligatorische Frage, wer denn noch 
                gerne nach dem Konzert mit ihm ficken möchte und stellte 
                direkt dann noch mal laut eigener Aussage die gleiche Frage, welche 
                Frauen denn aus Ostdeutschland kommen. Wie gesagt, Herr Naghavi 
                polarisiert und ich habe die 80 min sehr genossen. Zum Glück 
                hatte er diesmal nicht Alexander Marcus im Gepäck, das wäre 
                dann doch zu hart gewesen.
              
              Fazit: 
                
                [Kerstin] Ein traumhaftes Festival, wie wir es so schnell 
                nicht wieder erleben werden. Alles stimmte und der wunderschöne 
                Strand rundete das Ganze noch ab. Mit dem Line-Up hatte sich der 
                Veranstalter auch wieder richtig weit aus dem Fenster gelehnt, 
                keine nervigen Mittelalterbands mit Getröte sondern nur richtig 
                geile Musik. SPIRITUAL FRONT dürfen auch gerne nächstes 
                Jahr wiederkommen, aber dann bitte mit einem besseren Zeitplan 
                und mit einem längeren Gig.
                [Daniel] Ja, im letzten Jahr hatte es doch einige Kritikpunkte 
                gegeben, die für die ein oder andere Unannehmlichkeit bzw. 
                Blasen an den Füßen gesorgt hatte. Spätestens 
                mit dem ausverkauften Amphi 2008 (mehr als 12.000 Besucher) hatte 
                der Veranstalter alle Hausaufgaben gemacht - bis auf das fast 
                ständig überfüllte Theater. Aber da der Besucherandrang 
                auch bei den weniger bekannten Bands groß war, wird man 
                hier in Zukunft wohl kaum gegensteuern können. Ansonsten 
                ein Top-Festival, das nächstes Jahr sicherlich wieder ausverkauft 
                sein wird. Die ersten Bands für das Lineup 2009 (u.a. Front 
                242) stehen jedenfalls schon fest. Wir werden wieder mit dabei 
                sein.
              