Nachdem
mich im letzten Jahr das Billing und das Rahmenprogramm zur Erstausgabe
der BURGNÄCHTE zur Burg Rosslau enorm begeistert
hatte, ich aber nicht daran teilnehmen konnte, hab ich in diesem
Jahr alles so arrangieren können, das dem herbstlichen Festival
nichts mehr im Wege stand. Doch vor dem Vergnügen hat –
wer auch immer – die Anfahrt gesetzt. Für 400 km brauchte
ich dann auch geschlagene 6 Stunden über den Moloch A2, und
das bei bombastischem Wetter, will heißen, pure Sonne und
knapp 30°C. Endlich in Dessau angekommen, hab ich dank wegweisender
Beschreibungen von Einheimischen, die Stadt erst mal mit dem Auto
intensiv ergründen dürfen, bis ich mich auf meinen recht
guten Orientierungssinn verließ und dann doch noch den Stadtausgang
Richtung Rosslau fand.
So bin ich dann auf dem Parkplatz der Burg eingetroffen, als bereits
die erste Band zu spielen begann. Also flux die Sachen zusammengewürfelt
und ab zur Burg gestiefelt...
::
Fotos ::
FREITAG
22. September
...wo
:: MONOZID
:: bereits den ersten Schwung ihres Sets runtergespielt
hatten. Vielen anderen erging es scheinbar ebenso, denn auf dem
Burggelände tummelten sich vielleicht 200 Leute. Trotzdem fand
die rare Schar Gefallen am rockigen Düsterwave des Trios aus
Leipzig.
Statt
PUNISH YOURSELF, auf die ich mich eigentlich irre
gefreut hatte, spielten :: KATANGA
:: da die Franzmänner ihre gesamte Tour auf
Grund von Bookingproblemen abgesagt hatten. Nun ja, die Greifswalder
gaben sich Mühe, auch wenn der Sänger mit angeschlagener
Stimme fungierte. Die Sängerin versuchte zwar ein bisschen
Bewegung auf die Bühne zu bringen, agierte aber viel zu stereotyp,
um den Funken überspringen zu lassen. Nein, ein würdiger
Ersatz für die Franzosen war das wohl nicht... vielleicht konnten
sie mich auch deshalb nicht überzeugen.
Mit
der Musik im Rücken machte ich mich dann erst mal auf, die
Burg zu erkunden. Die Burg Roßlau ist eine aus dem 12. Jahrhundert
stammende Wasserburg, welche auf den Resten einer slawischen Siedlungsburg
errichtet wurde. In der Burg selbst mit seinem abschüssigen
Burghof gab es eine kleine Bühne für die Akustikkonzerte,
und in den Gewölben eine Wein-/Cafestube, eine Ausstellung
von www.Incestum.de
- Abstruse Skulpturen - und ein Gewölbe für ne Disco.
Um die Burg herum gab es die Mauer mit dem Torhaus, in welchen in
den Umbaupausen die Kurzfilme liefen und am Samstag eine weitere
Disco stattfand, die Freilichtbühne und eine Reihe an Food-
und Getränkeständen, Crepes, Schmuck, Klamotten, Met-
und Weinstände, Bogenschießen... etc. Die Burg machte
einen recht ungepflegten Eindruck, die Grünanlagen waren verwildert,
viele Fenster der Burg kaputt, verbrettert oder einfach mit Folie
bespannt. Da fehlt wohl – wie immer – das nötige
Geld, um aus der Burg wirklich ein Schmuckstück zu machen.
Vor der Burg fließt die Rossel, hinter der Burg beginnen die
Elbauen und natürlich die Elbe. Eigentlich ein sehr romantisches
Gelände, dem nur die pflegende Hand fehlt…
Weiter
ging es mit den :: GOLDEN
APES :: deren Sänger irgendwie ziemlich
depressiv oder sonstwie angeschlagen war. Nichtsdestotrotz (oder
gerade deswegen?) legten die Berliner eine melancholisch-schöne
Gothic Rock Show hin, konnten mich ein weiteres Mal rundum überzeugen
und schlossen mit der wundervollen Ballade Snow. Einfach
nur schön!
Danach
schaffte ich es dann endlich, mir die ersten Kurzfilme anzuschauen.
An diesem Freitagabend standen weitestgehend Kurzfilme von CHRISTIAN
VON ASTER auf dem Programm. „Gereimte Garstigkeiten
voll von aufdringlicher bösartiger Satire, mäßig
gutem Geschmack und anstößigem Humor“. Nur das
Reimen selbst ging mir irgendwann auf die Nerven. Sechs dieser Filme
gibt es übrigens auf der DVD: Kopfbrandstifter –
Eine fies vergnügliche Satire DVD (http://www.kopfbrandstifter.de/)
Nun
war es Zeit für :: SCREAM
SILENCE :: , die schon auf dem Castle Rock zu
überzeugen wussten. Hier wurden sie von ca. 500 schwarzen Seelen
regelrecht abgefeiert, was die Band mit einer grandiosen Show honorierte.
Zu zwei Stücken wurde erstmalig ein Streichertrio auf die Bühne
geholt (2 Violinen, 1 Kontrabass), was ziemlich gut ankam. Zum Schluss
gab es mit Harvest einen brandneuen Song, der erst einmal
geprobt wurde und trotzdem hervorragend klappte ;) Leider keine
Zugabe trotz vehementer Rufe. Tolle Show!
Neben
den üblichen Raubzügen an Met-, Bier- und Foodständen
zog es mich immer wieder zu der Skulpturen Ausstellung. Insbesondere
angetan war ich von einer Figur, die ich mal frech als Drachen interpretierte,
die auch „drchnflg“ heißt, aber wohl eine Libelle
in Abwehrhaltung darstellen soll. Ein wirklich schönes Objekt.
Ich war regelrecht fasziniert... *grübel*... *nachdenk*...
Mit
:: THE
DREAMSIDE :: präsentierte sich eine Band,
von der ich bisher noch nie etwas gehört hatte. Die Holländer
um Frontfrau Kemi Vita waren mir zunächst äußerst
suspekt, was wohl daran lag, das der Gesang viel zu leise rüberkam
und überhaupt nicht wirkte. Dann entwickelten sie sich aber
mit rasanter Geschwindigkeit zu einem absoluten Ohrwurm. Wahnsinnig
treibende Rhythmen und dazu Songs wie Open Your Eyes, ein
absoluter Smashit. Absolutes Highlight war aber ohne Zweifel Feuertänzerin
Medusa, die mit ihren feurigen Spielchen, lasziven Bewegungen und
wilder Mimik den Fans gnadenlos einheizte... Grandios!
Inzwischen
war die erste (Aftershow)Disco im Gewölbe des Burginnenhofes
im Gange. Der Alkoholpegel des schwarzen Volkes stieg und ließ
einzelne Gestalten doch recht... ähm... amüsant herumirren.
Ich für meinen Teil schaute mir derweil eine Doku über
Klaus Nomi an...
::
CLAN OF XYMOX
:: ließen dann den ersten Festivalabend mit
einer weiteren atemberaubend schönen Show ausklingen. Die Holländer
gehören ja schon seit langen zu meinen bevorzugten Bands, auch
wenn ich das alte wavige Material lieber mag, als das neue, mehr
electro-orientierte, welches auch den Großteil des Sets reflektierte.
Nichtsdestotrotz haben alte Glanzstücke wie Jasmin &
Rose und Louise nicht gefehlt :) Und Medusa stand
nun vergleichsweise harmlos brav hinter ihrem Keyboard, auch wenn
man ihr die Wildheit und Energie zu jeder Zeit ansah ;) Da gibt’s
nicht viel zu sagen, einfach nur eine fantastisch schöne Show!
Unter
sternenklarem Himmel wanderte das Volk dann in den Burginnenhof,
wo sich die amerikanische Gothic/Wave Ikone ::
EVA O. ::
die Ehre gab. Die zierlich-kleine alternde Vampirin mit spitzen
Eckzähnen und dramatischem Make-up präsentierte bittersüße
akustische Songs wie The Beauty Of Hell mit ihrer kehlig
rauen Stimme und faszinierte das Publikum. Begleitet wurde sie von
Le'
rue Delashay auf dem Keyboard (dessen modern-klassischen
Orchestrationen mich irgendwie an Midnight Syndicate erinnern).
Um
3 Uhr morgens war dann Zapfenstreich – solange habe ich allerdings
nicht durchgehalten. Ich schleppte mich bereits gegen halb zwei
müde und metseelig zu meinem Auto und machte es mir gemütlich.
Bei ca. 10°C war’s dann aber doch recht frisch...
SAMSTAG
23. September
Dafür
trieb einen dann die Sonne morgens zeitig wieder aus den Federn,
denn das Auto verwandelte sich im Nu in einen Backofen und verkündete
einen weiteren sonnigen Tag bei strahlendblauem Himmel, 28°C
und einer kräftigen Brise... ;)
Ganz so eilig hatte ich es dann aber doch nicht, so dass ich mich
erst um die Mittagszeit wieder auf dem Gelände einfand und
erst mal ein kräftiges Frühstück aus belegten Brötchen,
Rührei, Berliner und Kaffee verputzte ;)
Danach schaute ich mir im Torhaus die Vernissage von Jörg
Gründler an, der dort seine düster-romantischen
Lightbrush-Fotografien ausstellte. Mit dem Einfall des Tageslichtes
konnte man dann doch einiges mehr erkennen, als am Abend zuvor...
;)
Den Rest der Zeit bis zur ersten Band verbrachte ich dann damit
faul in der Sonne rumzuliegen und mich über einzelne, immer
noch vorhandene DDR Reliquien zu amüsieren, die mir ein gewisses
Gefühl von „zuhause“ vermittelten.
Um
2 Uhr nachmittags ging es dann endlich weiter. Mit ::
REPTYLE ::
aus Bielefeld standen für mich alte Bekannte
auf der Bühne, auf deren Show ich mich richtig gefreut hatte.
Da gab’s mal so nen „legendären“ Gig zusammen
mit Funhouse in Herford... Für Musik und Crew war es definitiv
zu hell, Sänger Zulu musste ob des grellen Sonnenlichtes ständig
blinzeln, was ihn aber nicht von den großen Gesten und Posen
abhielt. Beim Gesang spitzte ich einmal mehr die Ohren, weil es
irgendwie noch immer die eine oder andere Tonlage gab, die nicht
zu passen schien. Also alles beim Alten ;) Musikalisch gab es gepflegten
Gothic Rock mit superben Melodien und 2 brandneuen Stücken,
die hoffentlich in nächster Zukunft mit dem bereits fertiggestellten
Album Consequence erhältlich sein
werden.
::
SPLINTER
X :: konnten anschließend wenig überzeugen,
was aber nicht an etwaiger schlechter Musik lag, sondern daran,
dass das Fußvolk einfach noch viel zu relaxt und sonnenlethargisch
agierte. Der androgyne Sänger Ben reagierte darauf dann auch
etwas verstimmt und wollte den Gig bereits nach der Hälfte
des Sets beenden. Glücklicherweise rafften sich dann doch noch
ein paar mehr Fans auf und zollten der Band Beifall und so gab’s
das volle Programm aus sanften PopRock-Klängen.
In
der Zwischenzeit lassen sich die Jungs von FUNHOUSE
draußen blicken, so dass man mal schnell Hallo sagen kann
und über jenen bereits erwähnten Gig anno 2004 lästert.
Sänger Mike macht aus dem Bandnamen als Erklärung erst
mal ein „Frauenhaus“ und witzelt, das es wieder jede
Menge „ex-wife-songs“ geben wird...
Davor
jedoch spielen erst mal :: COINSIDE
:: , die gleich mit eigenem Fanclub angereist waren,
so schien es zumindest, einheitlich mit dem T-Shirt zum 10-jährigen
Bestehen der Band gewandet. Es gab hammerharten EBM/Industrial mit
treibenden Beats und den Übersong Hexenhammer (vorgetragen
mit Henkerskapuze und rotem Buchwerk), der es dann doch schaffte,
das relaxte Volk zu motivieren. Übrigens, die Texte der Band
sind recht interessant...
Mit
:: AGE
OF HEAVEN :: gab es anschließend schnörkellosen
Gothic Wave im 80iger Jahre Stil, gut gemacht, aber irgendwie ohne
eigene Identität. Die Leipziger schaffen es nicht wirklich
sich von den großen Idolen zu lösen.
Bei
herbstlichen Blätterregen wandeln derweil verschiedenste Gaukler
und eine Fee über das Festivalgelände. Dazwischen schau
ich mir wieder den einen oder anderen Kurzfilm und stopf mir den
Magen mit allerlei leckeren Sachen und Getränken voll (rote
Fassbrause gegen die Hitze und natürlich Kirschmet, Becks und
Tequila...)
Dann
ist es endlich Zeit für das „Frauenhaus“ *lol*.
:: FUNHOUSE
:: sind definitiv mein persönliches Highlight
des Festivals. Die Schweden versprühen so unglaublich gute
Laune, das davon jeder umgehend angesteckt wird. Trotz langer Bühnenabstinenz
in Deutschland sind FUNHOUSE immer noch irre beliebt,
rocken das Festival wie Hölle. Scherzen und witzeln und bringen
das Volk zum lachen. Neben den klassischen „ex-wife-songs“
(vornehmlich vom Flames Of Love Album)
gab es auch hier ein brandneuen Song, nämlich You Don't
Want To Know Me. Das Depeche Mode Cover Never Let Me Down
allerdings kommt an das Original nicht heran. Sorry Jungs. Trotzdem
geile Show!!!
Mit
:: STENDAL
BLAST :: wird es bereits wieder dunkel, so dass
sich nun die geballte Festivalschar tatsächlich innerhalb der
Burg befindet und das Trio frenetisch feiert. Es ist übrigens
der einzigste Gig der Band in 2006. Zunächst kommt Sänger
Kaaja im Safari-Look und Tropenhut auf die Bühne und gibt eine
Geschichte über einen großen Optiker und seine „Festivalbrille“
zum Besten, um dann brillenlos mit heftigen Electrobeats die Fans
glücklich zu machen. Mit ironisch bis sarkastischen Texten
wird das menschliche Zusammenleben auf’s Korn genommen.
Bei
:: THE
INVINCIBLE SPIRIT :: lässt meine Aufmerksamkeit
dann stark nach. Bassistin und Keyborder stehen wie angenagelt,
während der Sänger keine Sekunde auf dem selben Fleck
bleibt. Obwohl es auch hier treibende Electro/EBM Rhythmen gibt,
können mich Songs wie Push trotzdem nicht von den
Füßen hauen. Allerdings stehe ich relativ alleine mit
meinem Befinden da, denn die Mehrheit des Publikums ist hellauf
begeistert.
Es
folgte die Britische Kultband :: INKUBUS
SUKKUBUS :: , die mir bereits 2003 schon mal
festivalmäßig über den Weg lief. Einmal mehr fegte
Frontfrau Candia Ridley unglaublich ernergiegeladen über die
Bühne, hopste, kniete oder lag den Fans zu Füßen,
wisperte, sang und hauchte ihre Songs ins Mikro. Selbiges machte
die Eskapaden nicht allzu lange mit, so dass sie den Mikroaufsatz
einfach so weiterbenutzen musste. Das männliche Publikum lag
wiederum ihr zu Füßen... ;)
Die
FAULÉE
TAUBÉE Feuershow danach hab ich dann allerdings
verpasst, da ich mir was Dickeres zum anziehen aus dem Auto holen
musste. Als ich zurückkam sah ich nur noch die Feuerspitzen,
denn das Areal vor der Bühne war dicht umlagert. Da inzwischen
aber auch die Aftershow Disco im Torhaus gestartet war, hörte
ich mir stattdessen im Warmen ein paar alte Klassiker an ;)
Mit
dem Headliner des zweiten Tages ::
ZERAPHINE
:: wurde das BURGNÄCHTE FESTIVAL
pro forma erfolgreich beendet. Zu den Berlinern muss man –
glaube ich – nichts mehr groß erzählen. Die Show
war fantastisch, der Schwerpunkt lag musikalisch auf dem aktuellen
Album Still. Die Fans standen dichtgedrängt
vor der Bühne und feierten die Band nach allen Regeln der Kunst
ab. Wer von ZERAPHINE nicht genug bekommen kann...
am 31. Oktober startet die große Deutschland Tour ;)
Nach
einer weiteren Stippvisite bei der Aftershow Disco und zwei, drei
Akustiksongs von :: SWANS
OF AVON :: im Burginnenhof ließ ich meinen
Festivalabend mit einem gepflegten Kirschmet wieder bei sternenklaren
Himmel ausklingen... Als Stadtmensch ist man so viele Sterne gar
nicht gewohnt... Einfach wunderbar, das sag ich euch ;)
Am
nächsten morgen ging es dann frühzeitig auf die Bahn und
diesmal schaffte ich die Strecke dann auch in dreieinhalb Stunden.
Für die Langschläfer gab es neben dem Frühstück
ab dem Mittag noch Lesungen mit Christian von Aster und Boris Koch.
Fazit:
Ein fantastisch organisiertes Festival mit jeder Menge an interessantem
Rahmenprogramm bei bombastischen Wetter. Die Bandauswahl war gut
gemischt, so dass für jeden was dabei gewesen sein dürfte.
Die Preise waren äußerst zivil: Bratwurst, Frikadelle
oder Steak in Fladenbrot für 2 Euro bis 2,50 Euro, die verschiedensten
Pfannen je 3 Euro. Bier und Säfte 2 Euro, Brause 1,50 Euro,
Weine und Met 3 Euro... Dann kann sich niemand beschweren :) Auch
das Festivalticket für 32 Euro (VVK) war bei dem 3-Tage-Programm
angemessen.
Ich bin begeistert! Nächstes Jahr habt ihr mich wieder :) |