JARBOE 
                ist ohne Zweifel eine der charismatischsten, innovativsten und 
                ausdruckstärksten Künstlerinnen unserer Zeit. Die grande 
                Dame der extremen Musik elektrisierte schon zu Swans Zeiten das 
                Publikum und konnte nach ihrer Trennung 1997 vor allen durch ihre 
                Zusammenarbeit mit Neurosis auf ihre Soloarbeit aufmerksam machen. 
                Nun steht ihre aktuelle Doppel-CD The Men 
                in den Regalen und JARBOE überquerte den 
                Atlantik für ihre allererste europäische Solotour.
                Die finale Show dieser einmonatigen Tour fand in London in der 
                ehrwürdigen Scala 
                statt, eines der vielen wunderbaren alten Theater, die nun Schauplatz 
                fantastischer Konzerte sind. Die Scala ist nicht besonders groß, 
                aber sehr gemütlich, stufig angeordnet und daher sehr übersichtlich. 
                Es roch zwar die ganze Zeit nach Chlor wie bei einem Hotelswimmingpool, 
                aber gestört hat es keinen. Es waren vielleicht 100 Leute 
                anwesend, was selbst für die Scala recht wenig ist, aber 
                diese waren um so mehr berührt von der Show und brachten 
                dies auch zum Ausdruck...
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                Fotos ::
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                OLIVIER 
                MANCHION ~ seines Zeichens begnadeter Gitarist 
                und vielbeschäftigter, umtriebiger Musiker (Permanent Fatal 
                Error, Faust, Ulan Bator, Bias) schlüpfte zunächst völlig 
                unbemerkt auf die Bühne (jeder dachte wohl, das ist ein Roadie 
                zum Gitarren-Soundcheck) und gab überraschenderweise eine 
                seiner Solo Shows. Das er hier (und zum erstenmal in UK) als Support 
                auftauchte kommt aber nicht von ungefähr, denn unter dem 
                Permanent Fatal Error-Banner ist für 2006 eine Collaborations-CD 
                namens Little Red Piano geplant, auf der auch Jarboe wiederzufinden 
                sein wird. Olivier präsentierte eine halbe Stunde lang wunderschönen 
                Gitarren Post Rock (erinnerte an die Chicago-Szene oder Bands 
                wie Shellac und Tortoise), quasi als Essenz von PFE ohne die Jazz-Anteile. 
                OLIVIER MANCHION kreierte vielschichtige Loops 
                und legte immer wieder neue Melodien darüber, so dass sich 
                der Hörer am Ende in dichte und intensive Gitarrenkollagen 
                verfing. Gelegentlich griff Olivier auch mal zum Mikro. Eine musikalisch 
                sehr schöne Performance und für mich wieder einmal was 
                Neues! Davon muss ich mehr haben! ;)
              
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                FINAL 
                ~ ist das „Ambient“ (er selbst dürfte 
                diese Kategorisierung hassen...) Projekt von Justin K. Broadrick 
                (ex-Godflesh, ex-Napalm Death), der eigentlich hier mit Jesu auf 
                der Bühne stehen sollte. Basser Diarmuid Dalton war zwar 
                auch anwesend, aber Drummer Ted Parsons war es offensichtlich 
                nicht möglich, heute Nacht mit von der Partie zu sein. So 
                stand Justin also allein und gebeugt hinter seinem Apple auf der 
                Bühne (was optisch nun überhaupt nicht spannend war) 
                und entführte das Publikum, welches weitestgehend im Schneidersitz 
                und mit geschlossenen Augen auf dem Parkett bzw. den Rängen 
                saß, in seine Welt experimenteller Musik. Nicht zu straight, 
                aber auch nicht zu krass oder experimentell bauten sich immer 
                wieder schöne, melodische aber auch düstere und teils 
                recht harsche und extreme Soundkollagen auf. Ich gehe mal davon 
                aus, das dieses Material auf dem Album Three 
                zufinden sein wird, welches im Februar 2006 via Neurot Recordings 
                rauskommen wird. Im Übrigen war dieses Konzert das aller 
                erste in 20 Jahren FINAL Existenz!!! 
              
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                THE 
                LIVING JARBOE ~ wurde auf ihrer Tour von Bassistin/Violinistin 
                Paz Lenchantin (A Perfect Circle, Zwan), Gitarist Nic Le Ban und 
                den beiden Drummern Phil Petrocelli und Mike Rollins begleitet. 
                JARBOE eröffnete das Set mit Feral, 
                dem einzigen Track vom aktuellen Album The Men 
                und strahlte vom ersten Augenblick an ein unglaubliche Energie 
                und Transzendenz aus. Jede Note, jeder Ton und jede Zeile wurden 
                von solch intensiver Emotion interpretiert, das es einem den Atem 
                verschlug. Das Publikum war wie hypnotisiert, hing an ihren Lippen 
                und Körper. Diese Emotionalität zu sehen und zu fühlen 
                war für mich schon nahezu beängstigend ... Die beiden 
                Drummer erzeugten dazu noch einen unglaublichen Druck und pure 
                Energieschübe mit ihren tribalartigen Rhythmen. Erstaunlicherweise 
                kam das Gros der Songs an diesem Abend vom 2000er Album Disburden 
                Disciple. JARBOE interagierte intensiv 
                mit dem Publikum (allerdings ausschließlich mit den männlichen 
                Fans, die Frauen ignorierte sie total), schien gleichermaßen 
                Energie und Schwingungen aufzusaugen wie zu spenden, sprang sogar 
                zwischendurch mitten unter die Fans. 
                Nach nur einer Stunde war Schluss, die Band aber mit entsprechendem 
                Applaus wieder auf die Bühne zu bewegen, wo es leider nur 
                einen Song als Zugabe gab, nämlich Mother/Father 
                von den Swans (neben Song For Dead Time und I Will 
                Swallow You), eingeleitet mit den Worten: „This is 
                for Michael“. Danach war JARBOE so tief 
                bewegt und außer Atem, das sie ihre Dankesrede vom Blatt 
                ablesen musste, riss sich symbolisch das Herz aus der Brust und 
                reichte es den Fans, verneigte sich dankend und verließ 
                (Stage-)Türen knallend die Bühne. 
                Setlist: Feral, Pure War, Song For Dead Time, 
                Scarification, Seduce And Destroy, Dear 666, Sinner, I Will Swallow 
                You // Mother/Father
              
              Leider war 
                danach wirklich Schluss. Obwohl es die letzte Show der allerersten 
                THE LIVING JARBOE Europatour war, gab es weder 
                eine Aftershow Party, noch ein Meet & Greet oder eine Autogramm 
                Stunde. Das Publikum zerstreute sich sehr schnell, der Tresen 
                war schon geschlossen und die wenigen verbliebenen Fans wurden 
                recht eilig von der Security rausbefördert. Sehr, sehr schade... 
                Nun ja, Montag Abend in London... Ich hatte eigentlich auch noch 
                einen Interview Termin, der leider auch nicht stattfand, obwohl 
                es schon sehr interessant gewesen wäre zu erfahren, wie denn 
                die Tour so gelaufen ist. 
                Am Ende muss ich dennoch sagen, das es diese Show allemal wert 
                war, dafür extra nach London zu fliegen. Im Nachgang schon 
                wegen FINAL und OLIVIER MANCHION 
                aber vor allem natürlich wegen JARBOE. Diese 
                Frau ist einfach... faszinierend, prägend, atemberaubend, 
                unglaublich...!