Eines
Tages trudelte der NINE INCH NAILS Newletter
mit der Auflistung der Tourdaten und einem entsprechenden Hinweis,
dass es einen kurzfristigen inoffiziellen „Vorabvorverkauf“
geben würde in mein Emailpostfach ein. Also hieß es
schnell reagieren: Kollegen zusammentrommeln, minutengenau zum
Start des Verkaufs vorm Rechner sitzen, Flug buchen und ab zum
einzigen und natürlich später ausverkauften Hallenkonzert
der With Teeth Tour nach Berlin jetten, ungeachtet jeglicher finanziellen
Engpässe, denn der Großmeister des Industrialrocks
bittet ja wahrlich nicht alle Tage zur konzerttechnischen Generalaudienz
– die letzte reguläre Tour zu einer Albumveröffentlichung
fand Ende 1999 statt.
Die Columbiahalle
entpuppte sich als vergleichsweise kleine Location für ein
solches Konzert und durch die große Empore sowie kompakte
Bauweise bot sich gute Aussicht auf die Konzertbühne. Also
beste Rahmenbedingungen für ein Konzert, auf das man sich
lange gefreut hatte.
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THE DRESDEN
DOLLS ~ enterten ohne größere Verzögerungen
mit ihrem „Brechtian Punk Cabaret“ die Bühne.
Bereits im Vorfeld habe ich mich gefragt, ob die eigenwillige
Soundkomposition aus Piano und Schlagzeug den Nerv der Nine-Inch-Nails-Fans
treffen werden würden. Eben jene zeigten sich jedoch aufgeschlossen
und spendeten dem Duo begeisterten Beifall. Und das zurecht, denn
auf der Bühne bot sich ein skurriles Bild: Sängerin
Amanda hockte ganz in Punkmanier teils in breitbeinigen Posen,
rotzend und den Mikroständer umschmeißend mit großartiger
Mimik hinter ihrem Stagepiano, während Schlagzeuger Brian
nicht weniger poserhaft auf sein Drumkit eindrosch. Besondere
Highlights waren die Liveinterpretation von Coin-Operated
Boy mit ausgedehntem „Springende-CD-Effekt“,
eine tolle Coverversion von Black Sabbaths War Pigs und
eine Interpretation von Berthold Brechts Was bekam des Soldaten
Weib? in fast fehlerfreiem Deutsch von der Bostoner Combo.
Die anschließende
Umbaupause war mit gerade mal 20 Minuten unglaublich kurz, ist
man doch sonst eher von solchen Bands sich in extreme Länge
ziehende Soundcheck- und Aufbauorgien gewohnt. Viel Aufzubauen
gab es auch nicht, denn die Bühne war im Vergleich zur The
Fragile Tour sehr schlicht gestaltet: Keine Videoleinwände
und kein Vorhang, stattdessen nur eine Wand von vertikal angeordneten
Lichtsäulen. Die Umbaupausenmusik von unter anderem Joy Division
ging nahtlos in ein Sprachintro über und auf einmal wurde
das Licht gedämpft, Pianoklänge von The Wretched
erklangen und Mastermind… also sozusagen…
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NINE INCH NAILS
~ in Person Trent Reznor wurde von einem Spot
angestrahlt. Es konnte also losgehen. Aber was war aus Mr. Reznor
geworden? Er wirkte extrem durchtrainiert und man konnte zur Vermutung
kommen, dass er die letzten Jahre seinen Drogenentzug mit Hanteltraining
kompensiert hat. Twiggy Ramirez hatte seine Frauenkleider aus
Zeiten als Gitarrist von Marilyn Manson zu Hause gelassen und
hielt sich wie Drummer Jerome Dillon und der in einer Synthieburg
verborgene Allessandro Cortini eher im Hintergrund. Dafür
gab der neue Gitarrist Aaron North alles. Unglaublich, in welchen
Verrenkungen und Sprungeinlagen der Kerl noch Gitarre spielen
kann. Über die Länge des Konzertes wirkte es aber schon
etwas übertrieben. Sein Gitarrenspiel konnte aber Akzente
im Sound setzen, wirkte aber bei den elektronischeren Liedern
wie Closer etwas überpräsent.
Die Band legte viel Power an den Start, zeigte gerade bei den
härteren, schnellen Songs ein gutes Zusammenspiel und zog
ihr Set ohne Pausen und Zugaben eiskalt durch, was den Fans einiges
abverlangte, denn nach Klassikern der Bandgeschichte wie March
Of The Pigs oder Gave Up neben der aktuellen Single
The Hand That Feeds machte sich saunaartiges Klima in
der Columbiahalle breit. Da war es wirklich geradezu erlösend,
dass die Ballade Something I Can Never Have eine kurze
Atempause bot. Zum Ende des Sets hin breiteten sich auch leichte
Ermüdungserscheinungen bei den Fans aus, denn der Anteil
der Hüpfenden wurde immer geringer. Generell erinnerte die
Songauswahl von den Klassikern her an die letzte Tour, es wurden
aber auch einige Stücke vom aktuellen Album gespielt und
es ist schön, dass Songs wie Reptile auch noch nach
zehn Jahren im Liveprogramm zu finden sind. Den zu erahndenden
Höhepunkt des Konzertes bildete eine absolute und mal wieder
kaum zu toppende Gänsehautversion von Hurt.
Ein gemeinsames Gitarrenkaputtmachen beschloss den Gig und machte
klar, dass das Publikum keine Zugaben erwarten dürfte.
Fazit:
Der aufwändige Trip nach Berlin hat sich vollends gelohnt.
Ein geniales Konzert, das ich nicht so schnell vergessen werde...