Als
wir auf das Grünspan
zulaufen, haben sich schon eine Menge OPETH-Begeisterte
zwischen Tourbus und Eingang eingefunden. Dabei ist es noch wirklich
früh. Wir haben ja noch einen Interviewtermin mit Basser
Martin Mendez. Zunächst dürfen wir mit noch zwei anderen
Schreiberlingen, die mit Mikael Åkerfeld verabredet sind,
vor dem Hintereingang des Grünspan warten, bis die Soundchecks
gelaufen sind. Ein paar Betonstufen, verrostete Geländer,
Brettertüren, wucherndes Unkraut an maroden Häuserkanten
und geschäftig laufen Bandmitglieder und Roadies hin und
her.
Schließlich kommen uns Mikael Åkerfeld und Martin
Mendez entgegen. „Könnt ihr das hier draußen
machen?“, fragt die Koordinatorin von Roadrunner Records.
Die beiden Musiker sind davon nicht begeistert und nehmen uns
in den Tourbus mit. „Kümmert euch nicht um die Jazz-Magazine!“,
meint Mikael grinsend, während er selbige von Tisch und Sofa
wischt. Ich setze mich versehentlich auf ein Gamepad – hoffentlich
ist es heil geblieben. Es folgt ein nettes, etwas holpriges Gespräch
mit einem sichtlich zufriedenen Martin Mendez.
Als wir uns verabschieden, frage ich noch, wie viele Leute in
dem Bus leben während der Tour. Es sind zehn – recht
eng, ja. Unten wird der Tontechniker noch tätowiert. Mikael
schient auch zu wollen. Ihm wird aber abgeraten, da er –
wie sollte es anders sein – erkältet ist. Wir wundern
uns: hatte er nicht mal erwähnt, dass es sich niemals ein
Tattoo stechen lassen wollte?
::
Fotos ::
Gut getimed!
Aus dem Bus direkt in die Schlange vor dem Eingang und rein ins
Vergnügen. Da ist auch gleich der Merchandizing-Stand, der
erst mal um ein paar Items erleichtert wird – selbiges gilt
für unsere Portemonnaies. Dann rauf in die Galerie –
man muss sich ja einen Überblick verschaffen. Schönes
Ambiente! Dieses leicht morbide, altmodisch-pompöse (Film-)Theater
schient wie geschaffen für ein OPETH-Konzert.
Nun sollten wir uns aber doch besser einen Platz an der Bühne
ergattern! Das ist schon gar nicht mehr so einfach! Denn es geht
auch schon ungefähr los.
Erst mal wollen
uns :: EXTOL
:: zeigen, was sie unter Musik verstehen. Sie
rocken mit einem ordentlichen Brett los, das in Anbetracht des
zarten Alters der fünf norwegischen Jungs doch beachtlich
ist. Trotzdem klingt das alles zu sehr nach einer Mischung aus
gut gemeintem Thrash-, ein bisschen Death- und viel zu viel Nu-Metal.
Auch versuchen EXTOL nicht einmal, mit dem Publikum
Kontakt aufzunehmen und sind nach etwa vier Songs auch schon wieder
verschwunden. Später erfahren wir, dass die niedlichen Norweger
allesamt von der bösen Tourerkältung kaltgestellt waren,
so dass man nochmals ein paar Augen zudrücken muss, wenn
man ihren Auftritt bewerten will.
Was folgt,
ist die obligatorische Umbaupause, die sich unheimlich streckt.
Eine kleine Entschädigung bietet sich in der Entdeckung eines
Labtops hinter der Bühne, auf dem als Bildschirmschoner Fotos
von Mikaels Frau und Tochter in einer Slideshow laufen. Ach, ist
das sympathisch!
Endlich entern
Martin Mendez, Martin Lopez, Mikael Åkerfeld, Per Viberg
und Peter Lindgren die Bühne und das Publikum jubelt. Moment:
seit wann hat Lopez seine Haare blond gefärbt? Oh, nein!
Das ist gar nicht Lopez – an den Drums müssen wir mit
dem Bloodbath-Trommler Martin Axenrot vorlieb nehmen. Und dann
geht es so richtig los! Mit dem neuen Hammer-Song The Baying
Of The Hounds heizen :: OPETH
:: uns von Anfang an auf höchstem Niveau ein.
Mike scheint gut gelaunt und kommunikativ, was sogar vom Publikum
aus dem kühlen deutschen Norden gerne aufgenommen wird. Anfangs
werden noch „Musikwünsche“ Richtung Bühne
gerufen. Mike quittiert das mit einem strengen „Shut
the fuck up!!!“, und entrüstet: „Wir sind hier
doch kein Wunschkonzert! Wenn wir alt und fett geworden sind,
dann werden wir vielleicht Wunschkonzerte spielen… ähm,
ein bisschen alt und fett sind wir ja schon, aber momentan SPIELEN
WIR IMMER NOCH WAS _WIR_ WOLLEN!!!“ – und immer
hat er diesen typischen Schalk in den Augen, durch den man ihm
nichts übel nehmen kann, egal wie böse oder gar arrogant
seine Kommentare auch sein mögen.
Wir waren gespannt, ob wir auch Songs von älteren Alben zu
hören bekommen würden und werden promt mit einem konfrontiert:
When lässt die ausverkaufte Location erbeben und
hunderte Frisuren werden durcheinander geschüttelt. Als ein
außergewöhnlich ruhiger Song wird Deliverance
angekündigt und als dann zwei wirklich ruhige von der Damnation
gespielt werden, entschuldigt sich Mike fast: „Ich mag diese
Stücke sehr!“
Die Band rockt auf der Bühne ab, nur Peter steht fast die
gesamte Zeit ruhig da. Martin A. und Per sind leider nur schlecht
zu erkennen hinter ihren Instrumenten, doch Pers Haare fliegen
immer mal wieder hinter den schwarz verhängten Keyboards
hervor. Die Lightshow ist schlicht aber stimmungsvoll. Zwei große
Scheinwerfer stehen im Mittelgrund auf der Bühne und leuchten
von schräg unten Richtung Publikum. Viel Nebel macht es zum
Ende hin immer schwerer, die Musiker zu sehen oder gar zu fotografieren.
Irgendeinen Zwischenruf versteht Mike als Scooter und das nimmt
er dankbar auf: Scooter wäre ja wohl das letzte, das er jemals
zu hören bekommen hätte! Und als wir ihm alle lautstark
beipflichten bemerkt er, er sei sehr beruhigt, dass wir das auch
alle so sehen. Deutschkenntnisse werden präsentiert: „Mein
Hund ist dunkelblau!“, na ob das wirklich was mit Deutschkenntnissen
zu tun hat *g*.
Die Setlist lässt uns eins ums andere Mal Luftsprünge
machen und je weiter das Konzert fortschreitet, wird uns klar,
dass es sich dabei um ein regelrechtes Best Of handelt. Als dann
Face Of Melinda angekündigt wird, gibt es bei mir
kein Halten mehr und das Konzert wird damit zu einem der Besten,
das ich jemals besucht habe!
Gegen Ende macht sich Mike noch mal über den Animations-
und Kommunikationswahn auf Konzerten lustig. „Wisst ihr
was ein 4/4-Takt ist?“ - „Jaja!“ - „Wer
jaja sagt, weiß es nicht! Unser Drummer zeigt euch jetzt,
was ein 4/4-Takt ist!“, Martin A. spielt einen an. „Gut!
Wisst ihr auch was Headbangen ist?“ – „Jaaaa!“
– “Ja??? Na gut! Auf ‘nen 4/4-Takt kann man
nämlich prima Headbangen! So jetzt macht mal!” Die
Drums geben uns einen cleanen 4/4-Takt vor und die ganze Halle
lässt die Haare fliegen. „Okay“, sagt Mike, „der
nächste Song ist im 4/4-Takt und wir werden jetzt alle ungefähr
zwölf Minuten lang zusammen headbangen!!!“ Leider halten
es nicht alle komplett durch, aber Blackwater Park ist
ja auch lang und man möchte die Band ja auch immer mal wieder
in Augenschein nehmen.
OPETH verabschieden sich kurz, nur um gleich
wieder für die Zugaben da zu sein. Nach vollen zwei Stunden
exzellenter Musik, hervorragend dargeboten, sind wir klatsch-nass
und glücklich und wir wünschen uns, die Möglichkeit
zu haben, Mikes Ankündigung zu folgen und im Winter eines
der Konzerte in Süddeutschland besuchen zu können. Ob
dann auch Lopez wieder dabei sein wird? Wir hoffen natürlich,
dass er sich wieder erholt und der Band erhalten bleibt. Schade,
dass wir ich nicht hier schon zu Gesicht bekommen haben!
So bleibt nur noch zu sagen: OPETH? Immer wieder!!!
Setlist: The Baying of the Hounds / When
/ Deliverance / In My Time of Need / To Rid the Disease / To Rid
the Disease / The Drapery Falls / The Grand Conjuration / Face
of Melinda / Blackwater Park // Demon of the Fall