[Daniel] Nachdem im Frühjahr die dritte Auflage
der Orkus Club Tour gecancelt wurde, konnte mit den nun als Orkus
International Festival Tour betitelten Veranstaltungen
ein adäquater Ersatz auf die Beine gestellt werden. Vom ursprünglichen
Lineup sind nur noch die U.S.-Gother LONDON AFTER MIDNIGHT
übrig geblieben, die vor kurzem nach sage und schreibe mehr
als zehn Jahren ein neues Album am Start haben und sich in der Zwischenzeit
live mehr als rar gemacht haben. Letzteres gilt leider auch für
die Italiener KIRLIAN CAMERA, nur sehr unregelmäßig
live und schon gar nicht in NRW auftreten - ich kann mich zumindest
nicht an derartige Konzerte im bevölkerungsreichsten Bundesland
erinnern. LOLA ANGST waren in der Krefelder Kulturfabrik
wegen anderweitiger Liveverpflichtungen nicht mit dabei, so dass
der zweiten Band aus Italien - DOPE STARS INC.
- die Rolle des Special Guest zukam.
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Fotos •
[Kerstin]
Also fiel den • DOPE
STARS INC. • die leidige Pflicht des Openers
zu. Bandleader und Sänger Victor Love hätte mal besser
auf seine Mitstreiter aufpassen sollen, denn ihm sind scharenweise
die Bandkollegen weggelaufen. Von der Originalbesetzung ist mittlerweile
nur noch Darin Yevonde übrig, da zuerst Keyboarder Grace Khold
und danach vor kurzem Gitarrist Alex Vega ausgestiegen sind. Als
Unterstützung gab es dann den neuen Stimmungsmacher Noras Blake
hinter dem Apple Laptop, der auch in jede Hiphop Band perfekt gepasst
hätte und komplett aus dem ästhetischen Rahmen der sonst
sehr gestylten Band fiel. Neuerdings legen die DOPE STARS
INC. ihre Priorität eher auf Goth’n Roll, mit
stilechten Guns n’ Roses- bzw. Ramones-Shirts, was bei Victor
Love definitiv das doch äußerst ansehnliche Bäuchlein
verstecken sollte. Leider lockte der Auftritt keine Katze hinter
dem Ofen hervor und das spärlich vorhandene Publikum zollte
der stumpfen Performance mit Mischung aus Songs der beiden Alben
auch nur höflichen Applaus, selbst der Opener Theta Titanium,
eigentlich ein sehr starker Song, konnte nicht überzeugen.
Victor Love wirkte mehr denn je wie ein kleiner Junge und richtig
gerockt wurde nur am Ende mit dem Ace Of Spades von Motörhead,
bei dem Drummer Joe von London After Midnight mit einstieg und es
einmal richtig knallen ließ.
[Daniel] Mit ihren Gigs auf dem M’Era Luna
oder dem Amphi Festival konnten mich die DOPE STARS INC.
mit ihrem Cyber Glam Goth im Corporate Design durchaus überzeugen.
In der Zwischenzeit hat sich das Besetzungskarussell offenbar heftig
gedreht und auch von der optischen Komponente ist nicht mehr viel
übrig geblieben. Die Band war in Krefeld nur noch ein Schatten
ihrer selbst: Der früher schon nicht hundertprozentig überzeugende
Frontmann Victor Love nun mit Gitarre unter Doppelbelastung plus
Bauchansatz plus einen mehr schlecht als rechten Ersatz für
den stylischen Grace Khold hinter dem elektronischen Equipment.
Das Publikum strafte die maue Perfomance mit Ignoranz wie sie sonst
wahrscheinlich nur Vorbands von Marilyn Manson erfahren dürfen,
obwohl ihre Musik durchaus zum Headliner London After Midnight gepasst
hätte. Einzig das rotzig herunter gespielte Ace Of Spades
riss das Publikum aus dem Dauerschlaf. Ein nicht gerade gelungener
Auftakt des Festivals.
[Daniel]
Die spärliche Besucherzahl bei den Dope Stars Inc. ließ
Schlimmes befürchten, doch pünktlich zum Intro im Neoklassik-Stil
kamen die Fans von den Bierständen los und bevölkerten
den Konzertraum. Offenbar waren nicht wenige Fans wegen •
KIRLIAN
CAMERA • da, kein Wunder bei der langen
Abstinenz in NRW. Zum Intro trat die Band wie üblich nacheinander
in martialischen Outfits mit Taschenlampen und Sturmmasken bewaffnet
auf die stockfinstere Bühne. Angelo Bergamini - einzige Konstante
in der mehr als 25-jährigen Bandgeschichte der Italo-Cold-Waver
- leuchtete mit seiner Lampe einzelne Gesichter im Publikum an.
Mit In The Endless Rain ging es erst einmal gemächlich
los. Sängerin und Grazie Elena Fossi zog in der Bühnenmitte
nicht die Blicke der männlichen Besucher sofort auf sich und
verzauberte das Publikum von der ersten Sekunde an mit ihrer Stimme.
Insgesamt erinnerte die Setlist an den Gig auf dem Wave-Gotik-Treffen
im letzten Jahr, so dass sich die Italiener erst einmal schwerpunktmäßig
durch die letzten beiden Albumveröffentlichungen Coroner’s
Sun und Invisible Front
2005. Bereits im Vorfeld war zu lesen, dass für die Tour eine
Geigerin mit dabei sein würde. Sarah Crespi übernahm mit
ihrem Geigenspiel bei K-Pax gar das Hauptmotiv des Songs
und konnte auch sonst neue Akzente im Sound setzen. Teilweise erhielt
sie gar Szenenapplaus und nach ihrem virtuosen Intro zu Heldenplatz
war klar: Wer braucht da noch Emilie Autumn? Im zweiten Teil des
Sets streifte die Combo mit einer noch knapper bekleideten Sängerin
auch ältere Klassiker aus den tiefsten 80ern wie News
oder Edges, dargeboten in aktuellen Versionen. Insgesamt
hatte man den Eindruck, dass vergleichsweise wenig an den Synthies
voreingestellt war - eine erfreuliche Abwechslung zu drögen
Laptop-Performances und spannend zu sehen, wie die Bandmitglieder
immer wieder den Blickkontakt zu „Chef“ Bergamini suchten,
der etwa im letzten Drittel des Gigs seine Sturmhaube dann doch
abnahm. Das euphorische Publikum verlangte natürlich nach einer
Zugabe. Mit den Klassikern Ascension und Eclipse
verabschiedeten sich KIRLIAN CAMERA und ließen
ein wirklich begeistertes Publikum zurück. Mit einem Dauergrinsen
im Gesicht hätte ich jetzt eigentlich nach Hause gehen können,
doch nach einer kurzen Umbaupause wurde es Zeit für den Headliner.
[Kerstin] Zu dem Auftritt von KIRLIAN CAMERA
füllte sich der Raum zusehends mit teilweise sehr martialisch
gestylten Fans in froher Erwartung eines sehr seltenen Ereignisses:
Ein KIRLIAN CAMERA Konzert in Westdeutschland!
Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht! Es war definitiv das
Highlight des Abends für mich und auch für die Band. Elena,
bildschön und stimmgewaltig wie immer, ließ sich von
der Menge feiern und das euphorische Publikum entlockte selbst Onkel
Bergamini ein Lächeln am Schluss, nachdem er sich endlich seiner
Sturmmaske entledigt hatte.
[Kerstin]
Meine Erwartungen an den Gig von • LONDON
AFTER MIDNIGHT • waren sehr gemischt.
Hatten die Amerikaner doch seit 10 Jahren kein neues Album mehr
vorgelegt und wurde die Jahre hinweg immer wieder spekuliert, ob
LAM in die Fußstapfen der Sisters Of Mercy
treten und nie wieder eine neue Platte veröffentlichen werden.
Bis auf einige Festivalauftritte 2001 und 2002 war es sehr ruhig
um die Band geworden, die trotz Kultstatus auch in der Gotenszene
immer mehr und mehr in Vergessenheit geraten war. Auch als LAM
als Headliner der Orkus International Festival Tour
bekannt gegeben wurden, zweifelten viele, dass Tour auch wirklich
stattfinden würde. Allen Spekulationen zum Trotz wurde das
neue Album pünktlich veröffentlicht und LAM
standen auf der Bühne der KuFa und zeigten allen, dass sie
immer noch Ikonen der Szene sind, auch wenn sie bei diesem Konzert
zu einem Trio geschrumpft waren, da Keyboarder Tamlyn erst wieder
auf dem Wave-Gotik-Treffen 2008 dazu stoßen wird. Neue Songs
wie Nothing’s Sacred oder das den USA gewidmeten
America’s A Fucking Disease, aber auch alte Hits
wie Your Best Nightmare, Spider And The Fly und Kiss
wurden begeistert vom Publikum gefeiert und auch Sean Brennan zeigte
sich offen wie nie zuvor mit Fragen an das Publikum, was sie als
nächstes hören möchten, nur der Tontechniker bekam
einige böse Blicke, da er während des ganzen Konzerts
nicht das Problem von Sean Brennans Monitorsound beheben konnte.
Mit Sacrifice als krönendem Abschluss wurden die begeisterten
Fans in die Nacht entlassen und konnten sich auf eine Autogrammstunde
mit allen Bandmitgliedern am Merchstand freuen.
[Daniel]
In Gedanken noch beim famosen Gig von Kirlian Camera hatte sich
der Konzertraum schnell wieder gefüllt. LONDON AFTER
MIDNIGHT sind also doch nicht ganz in Vergessenheit geraten.
Der Altersdurchschnitt im Publikum war aber vergleichsweise hoch.
Meine Erwartungen waren ebenfalls sehr gemischt - eigentlich hatte
ich gar keine - aber LONDON AFTER MIDNIGHT lieferten
einen wirklich ansprechenden, headlinerwürdigen Gig ab. Die
charismatische Frontdiva Sean Brennan schien nicht ein Jahr gealtert,
stimmlich fit und hatte gar das gleiche Outfit wie vor 7 Jahren
an, als wäre die Zeit stehen geblieben, wenn da nicht die zahlreichen
neuen Songs vom überraschend guten Album Violent
Acts Of Beauty gewesen, die sich stimmig zu den Klassikern
wie Kiss oder Sacrifice gesellten. Auch wenn man
beim Frontmann nicht wirklich von einer Bühnenperformance sprechen
kann war der Gig eine überraschend runde und spannende Angelegenheit.
Hätte ich vorher nicht gedacht! Ein gelungener Abschluss des
Abends.
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