Mit
WARRIOR SOUL schafft es eine zweite, zu meinen absoluten
Lieblingen und Alltime-Faves gehörende Band, mir mit ihrem
neuen Album ziemliches Unbehagen zu bereiten.
Auf dem ersten Blick ist Stiff Middle Finger ein
grandioses, old school WARRIOR SOUL Album, mit einer
rohen, rotzigen Garagen-Produktion, welche ein ungemein gutes
und authentisches Gefühl versprüht und Erinnerungen
an die vergangenen ach so tollen Zeiten heraufbeschwört.
Dazu die kaputte charismatische Stimme von Kory Clarke, der
sich wie üblich, total angepißt, über ungerechte,
korrupte und korrumpierende Konzerne und Regierungen sowie Nazigesocks
ausläßt. Stiff Middle Finger ist pure
Energie und zeigt der Welt, ganz dem Titel nach, den Stinkefinger.
Man möchte die Lautstärke bis Anschlag aufdrehen und
alles in Grund und Boden rocken.
Auf dem zweiten Blick jedoch, bedient sich Kory Clarke recht
auffällig an seinem eigenen Backkatalog und läßt
hier alles einfließen, was WARRIOR SOUL seinerzeit
ausgemacht und der Band jenen Kultstatus beschert hat. Dabei
klaut er sowohl bei den WARRIOR SOUL Klassikern, aber
auch bei den Space Age Playboys und Mob Research.
Die ersten vier Songs des Albums machen höllisch Spaß
und treten ordentlich den Allerwertesten. A Drink To All
My Friends hat anschließend ein sehr charmantes aber
aufdringliches Riffing und ist generell ein cooler Partysong
für und auf die Fans. Aber hier fehlt es schon an Biß.
Dann folgt mit 2012 ein düsterer, Industrial-lastiger
Track. Nicht das der stilistische Mix schlecht wäre, er
paßt nur so gar nicht ins Konzept. Ich nehme das mal als
Hommage an Mob Research und Paul Raven. Überhaupt gibt
es auf Stiff Middle Finger den einen oder anderen
neuen Aspekt, wie zum Beispiel der Einsatz von flächigen
Keyboards in A Drink To All My Friends, oder das abschließende
semi-akustische Light Your Bonfires mit seinem dezent
experimentellen, dronigen Sound. Sehr intensiv. Mag ich.
Die Tracks der zweiten Hälfte von Stiff Middle Finger
unterscheiden sich qualitativ von der ersten Hälfte. Man
hat das Gefühl, hier Songs aus einer völlig anderen
Session zu hören. Darüber hinaus sind die Backingvocals
bei Sparkle Baby und insbesondere bei Rubicon
ziemlich schräg und disharmonisch. Nette Idee, miese Umsetzung.
Generell gibt es viele Schwankungen in der Aussteuerung und
dem Sound. Mal sind die Gitarren zu aufdringlich im Vordergrund,
dann fehlt der Bass oder geht der Gesang unter. Als hätte
man alles ohne finalen Mix auf die CD geklatscht. Das mag beabsichtigt
gewesen sein, um das obenerwähnte authentische Gefühl
zu erzeugen, klingt aber eher nach einer übereilten Demoproduktion.
Da steh ich nun und bin hin- und hergerissen. Da möchte
ich mit einer lässigen Bewegung all die Unzulänglichkeiten
hinweg wischen und kann doch nicht aus meiner Haut, weil ich
weiß, daß Stiff Middle Finger auch
noch viel besser und großartiger hätte sein können.